Donnerstag, 28. August 2014

La resa dei conti / Der Gehetzte der Sierra Madre (Sergio Sollima, Italien, Spanien 1966)

Somewhere there is a land where men do not kill each other.
 
Die Italo-Western-Brutalität der Exposition bekommt angesichts des großartigen Morricone-Songs während des - nicht minder großartigen - Vorspanns eine bittere Note. Strick oder Pistole. Das ist die Wahl vor die Jonathan Corbett (Lee Van Cleef) die drei Männer stellt für die er nichts außer drei Kugeln übrig hat. Dabei scheint der Kopfgeldjäger selbst das Töten von Anfang an satt zu haben, davon zu träumen, es eines Tages hinter sich zu lassen.  
Der Geschäftsmann Brockston (Walter Barnes), der eine Eisenbahnlinie quer durch Texas bauen will, die die USA mit Mexiko verbinden soll, bittet ihn in die Politik zu gehen und seine Sache in Washington zu vertreten. Doch vorher macht sich Corbett auf die Suche nach dem Mexikaner "Cuchillo" Sanchez (Tomas Milian), der ein minderjähriges Mädchen vergewaltigt und ermordet haben soll. Doch Cuchillo erweist sich nicht nur als so gewitzter Ausreißer, dass selbst der große Corbett seine Probleme hat, ihn einzufangen, der Kopfgeldjäger beginnt auch irgendwann an der Schuld des Gejagten zu zweifeln.
 
Somewhere you will find a place where men live without fear.
Somewhere, if you keep on running, someday you'll be free.
 
An den üblichen Italo-Western-Gimmicks herrscht in La resa die Conti gewiss kein Mangel. Neben den raffinierten Verkleidungstricks, die Cuchillo für seine Flucht nutzt, ist da etwa eine Szene, in der er einen Stier in den Verschlag locken soll. Gefilmt wird teilweise mit der Handkamera aus der subjektiven Sicht sowohl des Mannes als auch des Stiers während sie miteinander kämpfen. Für die genre-typische Grausamkeit sorgen unter anderem die Messerwurfkünste, denen Cuchillo seinen Namen verdankt, oder eine Szene, in der er an Händen und Beinen mit Lassos gefesselt ausgepeitscht wird. Doch Sergio Sollima nutzt das Genre auch hier vornehmlich für seine eigenen Zwecke. Schon im Text zu Faccia a faccia habe ich den Sollima-Helden als einen gezeigt, der von seiner Leidenschaft für eine bessere Welt angetrieben wird. Der des Tötens müde ist und sich nach Frieden sehnt. In La resa dei Conti nimmt das die Form einer Desillusionierungsgeschichte an, in der Corbett langsam feststellen muss, dass die Werte der Männer für die er arbeitet nicht die seinen sind. 
 
Somewhere there is a land where men call a man a brother.
 
Im Kern ist La resi dei conti ein Film über Rassismus, den Sollima als das anprangert, was er wohl immer schon war: Ein Herrschaftsinstrument. "Ich kenne ein Gesetz, das besagt, dass es zwei Gruppen von Menschen gibt," sagt Cuchillo. "Die eine Gruppe flieht, und die andere verfolgt sie." Schon bevor Corbett - und mit ihm der Zuschauer - endgültig von der Unschuld Cuchillos überzeugt ist, scheint sich der Film ganz auf die Seite des Fliehenden, des Gehetzten, des geschundenen Körpers von Tomas Milian zu stellen.  
Die Reise des Kopfgeldjägers wird auch zu einer Odyssee durch eine regelrechte Galerie verschiedener, teils denkbar bizarrer Machtverhältnisse. Da ist sonderbare Matriarchatsphantasie, die den Gender-Diskurs von Citta violenta ein Stück weit vorwegnimmt. Auf einer Ranch gebietet die Besitzerin nach dem Tod ihres Mannes über eine Gruppe ihr untergebener Männer - wohl eine Art Harem - die sie stets mit "Seniora" anzureden haben. Da ist der ehemalige "Bruder Smith and Weston", ein Mönch, der das Schießeisen vor Jahrzehnten gegen das Kreuz eingetauscht hat, und damit die vorweggenommene Erfüllung von Corbetts Sehnsucht darstellt. Da ist die mexikanische Armee um einen gewohnt schmierigen Fernando Sancho, die den Bauern und der Revolution mit der gleichen Verachtung begegnet wie die adeligen und großbürgerlichen Kreise in den USA. Da ist eine der Schlüsselszenen bei einer feinen Gesellschaft um Brockston. Während er seine Tochter zurecht weist, die sich nicht in eine Hochzeit fügen will, die in seinem (Kapital-)Interesse liegt, folgt die Kamera einer jungen mexikanischen Bediensteten, die mit einem Tablett Champagner durch die Räume geht. Als sie sich den Rock hochzieht während sie das Tablett zu Boden stellt, zieht der Anblick ihrer Beine das Interesse von Brockstons künftigem Schwiegersohns auf sich - dem Mann für dessen pädophile Verbrechen Cuchillo als Sündenbock herhalten soll. Die gleiche Macht, die den mexikanischen Bauern jagt, macht auch die Frauen buchstäblich zum Objekt, zu einer Ware, die man möglichst gewinnbringend verkauft oder die nur dazu dient, männliche Gelüsten aller Art zu befriedigen. Die Kamera ist dabei einmal mehr ganz auf der Seite der Ausgebeuteten und Unterdrückten.  
 
Never, no never no they'll never lock you in.
No never, no never, no never let them win.
Go ahead young man, face towards the sun,
Run man, run while you can,
Run man, run man, run.   
 
Dass am Ende das Gute siegt, dass Lee van Cleefs unvergleichlich eindringlicher Blick schließlich nur die Gerechtigkeit sucht, hat bei der Genauigkeit mit der Sollima Machtverhältnisse analysiert eine regelrecht utopische Note.
 
 
Und weil's so schön ist, bekommt wer mag hier noch den restlichen Text:
 
 

Running like a hare, like deer, like rabbit,
Danger in the air, coming near, you can feel it,
And you're panting like hare, like deer like a rabbit,
Running from the snare until fear is a habit.
Hurry on and on and on.
Hurry on and on, hurry on and on
Run and run until you know you're free,
Run to the end of the world 'til you find a place
where they never never never
No never no they'll never lock you in.
Never, no never, no never let them win.
Go ahead young man, face towards the sun,
Run man, run while you can,
Run man, run man, run.


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