Samstag, 24. Mai 2014

Cry of the City (Robert Siodmak, USA 1948)

"The Center of attention" nennt Lt. Candella (Victor Mature) Martin Rome (Richard Conture) einmal. Die Jagd des Polizisten auf den Gangster, die sich zu einem Kampf um die verlorenen Seelen auf den Straßen von Little Italy ausweiten wird (die dann auch nur in einer Kirche ein Ende finden kann), wird auch zu einem Kampf um das Zentrum der Aufmerksamkeit, in dem Marty steht bzw. liegt in der ersten halben Stunde des Films. Sein weißes Krankenhaushemd leuchtet in den harten Kontrasten des Schwarz-Weiß des Films regelrecht zwischen den dunklen Mänteln und Anzügen der anderen Männer, die ihn an seinem Bett besuchen. Wie um einen Fixstern, werden die Einstellungen um Marty herum arrangiert, der da, wo er herkommt ein Star ist, weil das Gangster-Dasein Vielen als glamouröse - und einzige - Alternative zum kargen Leben im Ghetto erscheint. (Übrigens zählen die Originalschauplätze sicherlich zu den Hauptattraktiones dieses nicht eben attraktionarmen Films).
Wo also Candella selbst leuchten, seinem Namen gerecht werden, und sich die Aufmerksamkeit erkämpfen muss, die sein Kontrahent geniesst, wird es für diesen gerade darum gehen, sich der Aufmerksamkeit zu entziehen. Denn Marty ist auf der Flucht, nachdem er einmal dem Krankenhaus entkommen ist, in dem er erwachte, nach dem Abend, an dem er einen Polizisten ermordete und selbst schwer verwundet wurde, (er entflieht der Aufmerksamkeit meisterlich und Siodmak setzt das meisterlich in Szene - nur zum Beispiel beim Entkommen aus dem Krankenhaus direkt unter den Augen der Polizei).
Die Frau, Teena Riconti (Debra Paget), mit der er fliehen will, scheint etwas außerhalb des Zentrums der Aufmerksamkeit, in dem er selbst steht, zu sein, das als Erlösungsversprechen zu ihm durchleuchtet mit ihren blonden Haaren und ihrem Leopardenfell-Mantel - wie die Leuchtreklamen, die ständig großartig verheißungsvoll im Hintergund durch die Fenster und Autoscheiben blinken.
Die teilweise schier atemberaubende Suspense des Filmes erscheint geradezu lakonisch in ihrer einfachen Lenkung der Zuschauer-Aufmerksamkeit. Da ist die Szene, in der Conture mit einem schmierigen Anwalt "abrechnet": ein Messer, eine Pistole, ein Umschlag mit Diamanten. Ein Schlag, ein Schuss, ein Stich, ein Blick durch die Tür - und der sich buchstäblich wie von Geisterhand drehende Schreibtsichstuhl als Aufmerksamkeitsüberschuss.
Der Sieg des Guten in diesem Film ist schon deshalb so zwiespältig, weil Candella Martin immer ähnlicher werden muss, ihn mit der gleichen Besessenheit jagen muss, mit der sein Gegner flieht - wobei die Krankenhausflucht nur die offensichtlichste Parallele ist (der Kampf um das Zentrum der Aufmerksamkeit ist natürlich auch der Wettstreit zweier großartiger Schauspieler, bei dem Mature Conture immer weiter die Show stehlen oder zumindest ihm ebenwertig werden muss). Martin bekommt seinen letzten Moment im Zentrum der Aufmerksamkeit wenn er tot auf der - wie immer regennass glänzenden - Straße liegt, und sich schnell eine Menge von Fussgängern ansammelt, die auf den gefallenen Stern herabblicken. Candella hat sich die Aufmerksamkeit des jüngeren Bruders des Gangsters (und des Zuschuers) hart erkämpft und fährt mit ihm im Auto davon. Die Bilder von der New Yorker Skyline aber, zu denen die Worte "The End" stehen, sind die gleichen wie im Vorspann.

(Dieser Text mag auch stellvertretend für die vielen großartigen Siodmak-Filme stehen, die ich in den letzten Wochen im Zeughauskino gesehen habe - und zu denen etwas zu Schreiben, mir die Zeit leider nicht vergönnt hat.)

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