Freitag, 10. Januar 2014

Casablanca, nazifrei

Gestern war im Zeughauskino ein ebenso erschütterndees wie kurioses Dokument deutscher Filmzensur-Geschichte zu sehen: Casablanca in der Version, die 1952 in der BRD in die Kinos kam (Wiederholung: morgen um 20:00).
Per Kürzungen von 21 Minuten und durch die Synchronisation wurde der Film damals so entschärft, dass er ein bundesdeutsches Publikum unter keinen Umständen an seine lästige Vergangaheit erinnern möge.
Also keine - klar als solche zu identifizierenden - Nazis, keine Verweise auf Gestapo und Konzentrationslager, kein wunderbar pathetisches Wettsingen von "Wacht am Rhein" und der Marseillaise in Ricks Café Americaine. Lieb Vaterland, magst ruhig sein! Die beiden deutschen Beamten, die zu Beginn ermordet werden, sind nun Italiener - welch aufschlussreiche Verschiebung! - und aus dem tschechischen Wiederstandskämpfer Victor Laszlo ist ein schwedischer  Wissenschaftler namen Laser geworden, der verhindern will, dass seine Erfindung, gefährliche "Delta-Strahlen"(!), in falsche Hände gerät. Eine naheliegende eskapistsiche Allianz aus Geschichtsverdrängung und 50er Jahre-Gaga.
Doch die Synchro ist nicht nur grob verfälschend, sie ist auch sonst verdammt schlecht. Casablanca auch ohne "Schau mir in die Augen, Kleines!" und - das verstehe nun wirklich wer will - ohne den von Sam gesungenen Text von"As Tears go by".
Der berühmte letzte Satz: "This is the beginning of a beautiful friendship" lautet in der Synchro: "Wer hätte gedacht, dass wir ausgerechnet in Casablanca zu anständigen Menschen werden würden." Wahrlich, eine gute Frage: Wer hätte das für möglich gehalten?! Zensur als Reinwaschung, als Erlösung von dem Bösen. Wohl ein sehr deutscher Gedanke.



Mehr und Ausführlicheres zur  damaligen deutschen Fassung gibt es etwa hier und hier zu lesen. Ein Traum wäre es, wenn man sich auch hier irgendwann des Films annehmen würde.

Übrigens lief der Film in der Reihe "Verboten! Filmzensur in Deutschland" im Zeughauskino, in der es noch bis Anfang Februar sicherlich das eine oder andere Tolle, Seltene und Kuriose zu bewundern gibt.

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