Freitag, 6. September 2013

Julia X (P. J. Pettitte, USA 2011)

SerienkillerInnen

"Let's just keep this physical." sagt an einer Stelle der Serienkiller zur Serienkillerin. Und der Film, das ist seine große Stärke, hält sich über weite Strecken streng an diese Maxime.
"Keeping it physical" heißt zunächst: Scheiß auf Exposition! Vergiß Figuren, Psychologie, Glaubwürdigkeit und, wenn wir schon mal dabei sind, auch jede herkömmliche Spannungsdramaturgie! Vor dem Vorspann sehen wir eine Frau, Julia (Valerie Azlynn) heißt sie, auf einem Date mit einem Mann (Kevin Sorbo), der keinen Namen hat ("The Stranger" nennt ihn der Abspann). Die beiden haben sich per Internet verabredet und Julia scheint es zunächst so zu ergehen, wie es Frauen, die fremde Männer im Internet daten, in dieser Art von Filmen nun mal ergeht. Während der Credits werden wir dann informiert, dass ein Serienkiller umgeht, der die Frauen, die er ermordet, im Internet kennenlernt und der ihnen ein X auf die Haut brennt. Das ist alles, was wir an Informationen brauchen, um durch die erste halbe Stunde und zur entscheidenden Volte zu kommen: Julia selbst war nämlich im Internet ebenfalls auf Männerjagd - und das nicht im übertragenen Sinne. Auch sie zielt darauf ab, ihre Online-Bekanntschaften, gemeinsam mit ihrer jüngeren Schwester Jessica (Alicia Willis Leigh), zur Strecke zu bringen. Hat sich das Blatt einmal gewendet, befindet sich der Mann zum ersten Mal vollständig in der Gewalt der beiden Frauen, ist die restliche Stunde des Films Show-Down.
"Keeping it physical" bedeutet hier auch die despektierliche Subgenre-Bezeichnung sadomasochistisch beim Wort zu nehmen - und sie sich gleichzeitig stolz auf die Fahnen zu schreiben. Torture porn? Na logo! Nicht nur werden in Julia X die Metzeleien zwischen dem Figurentrio so ungeniert wie offensichtlich als sexueller Akt inszeniert, als flotter Dreier mit Hämmern und Nageln, Stechen und Gestochenwerden bis das Blut an die Kamera spritzt. Der Film ist auch vollkommen schamlos im Bezug auf seine Intention, macht keinen Hehl daraus, dass das Publikum in allererster Linie Spaß haben, ihm die zunehmende Versehrtheit der Körper der Figuren zum Lustgewinn gereichen soll. Die "Porno-Haftigkeit" wird noch augenzwinkernd unterstrichen in einer Szene, in der Jessica in einer typischen Porno-Situation einen vierten Mann ins Haus lockt. Der, ein ziemlicher Milchbubi noch, kann mit dem Foltersex für Fortgeschrittene allerdings gar nichts anfangen, weshalb er bald und einigermaßen unversehrt wieder gehen kann. Natürlich hat dieses Bekenntnis des Films zur "Gewalt-Pornographie" und der sadistischen Freude, die sie bringen soll, etwas ziemlich zynisches, es ist im Vergleich zu der Verlogenheit, mit der viele Genre-Vertreter ihre Exzesse in reaktionäre Moralvorstellungen hüllen aber vor allem eins: erfrischend ehrlich.   
Seine Schwächen hat der Film überwiegend dort, wo er seinen entscheidenden Vorsatz, sich ganz auf's Physische zu beschränken, immer wieder doch nicht einhält. Material für psychoanalytische und/oder feministische Deutungen bietet er durchaus - und wohl auch mit voller Absicht - einiges. Nur: Man täte ihm wahrlich keinen Gefallen, würde man sich darauf einlassen. (Besonders schrecklich sind die Flashbacks in die Kindheit der beiden Schwestern. Fertigteile aus dem Drehbuch-Baukasten. Zum Glück kommen solche Entgleisungen schon rein quantitativ so kurz, dass man getrost über sie hinwegsehen kann.) Auch kommt das Ende, die finale Pointe, mit der offensichtlichen Absicht, geballte, nun ja, Star-Power in Form eines Ving Rhames-Cameos zu bieten, und gleichzeitig den Weg für ein Sequel zu ebnen, reichlich platt daher.
Ein Meisterwerk oder ein Meilenstein ist Julia X  sicherlich nicht. Aber ein kleiner, unterhaltsamer und fieser Genre-Film, der unprätenstiös ist, ohne dumm zu sein, an politischen Korrektheiten aller Art gänzlich uninteressiert, ohne reaktionär zu werden. Um sich vom öden Einerlei gängiger Folter-Horror-Konfektionsware so weit wie wohltuend abzuheben, reicht das allemal.  

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